Keinerlei Neuigkeiten gestern in Sachen Iranvisum, diverse Pässe, so die Visumagentur, hätten sich auf unbestimmte Zeit in der Bürokratie verheddert, Dienstag könne man mal wieder nachfragen. Freitag früh muß ich den Zug nehmen, um schleunigst nach Istanbul zu kommen und unterwegs wenigstens kurze Blicke auf Sofia und Istanbul zu werfen. Am 21. fährt mein Zug von dort nach Teheran. Werde weinen, wenn mich der Iran nicht reinläßt oder das Visum schlicht nicht rechtzeitig kommt.
Findet dieses Land doch nur in medialer Hyperventilion statt, und würde ich mich so gerne vergewissern, daß dort einfach Menschen leben, wie überall. Lese ich doch seit Monaten persische Literatur und knie mich nieder, sowohl vor den messerscharf-poetischen Erzählungen der Zeitgenossen wie vor der frappierenden Ironie des 11. Jahrhunderts. Erzählt mir mein Vertrauens¬perser so viel von seinem Land und seiner Sprache, daß wir kein Ende finden. Heute schickte er mir einen Link auf einen Iran-Reisebericht, der die Freundlichkeit und Schönheit des Landes hymnisch besingt. Ich würde mächtig gern selbst mal da vorbeischauen.
Die ganze Logistik hat damit eine Phase haarsträubender Lastminutehaftig-keit erreicht – die Züge Hamburg–Sofia–Istanbul bedürfen Reservierungen, weil Nachtzüge, keine Ahnung, ob man mich auslachen wird, wenn ich Dienstagabend erst am Schalter stehe. Die einzig verbliebene Alternative, sollte ich nicht durch den Iran reisen können, ist ein Flug von Istanbul nach Ashgabat, auch den sollte man eines Tages buchen. Daß damit die Reinheit der Konzeption perdü wäre, jeden Meter Hamburg – Shanghai auf dem Landweg zurückzulegen, stimmt mich entschieden betrübt, läßt sich aber nicht mehr ändern, will ich am 1. September in Shanghai sein – und das will und muß ich, mein Stipendium des Shanghaier Schriftstellerverbandes erstreckt sich auf September/Oktober.
Mein Paß ist, wie gesagt, seit Wochen allein unterwegs, ich kann nicht mal sicher sein, daß meine Visa auch wirklich auf die richtigen Zeiträume ausgestellt sind. Einige Visa übrigens haben eine Halbarkeitsspanne, die nur unwesentlich über der von Joghurt liegt, man muß bei einer solchen Reise im Auge behalten, daß nicht, wenn man das letzte Visum beisammen hat, welche von den ersten schon schlecht geworden sind. Nur nebenbei. Diese Reisevorbereitung gestaltet sich mit derart viel
Suspense, die Reise selbst kann dagegen nur erholsam wirken.