Maschhad. Maschhad ist die Antithese zu Teheran. Maschhad ist ein ganz anderer Schnack. Schwer zu glauben, daß Teheran und Maschhad im selben Land liegen und sich vertragen. So toll Teheran ist, als so grauenhaft empfinde ich Maschhad.
Freitag, 30. Juli 2010
30. Juli. Maschhad. In Some Cases Suspicion Is A Sin – I
Maschhad ist eine tiefreligiöse Stadt, ihr Zentrum ist die heiligste Stätte Irans, Grab und Schrein des achten Imams, Imam Reza. Der Haram, der Schrein-Komplex, ist das Herz der Stadt und wichtige Pilgerstätte. Abgesehen davon, daß Maschhad für mich auf dem Weg nach Turkmenistan liegt und die zweitgrößte Stadt Irans ist, finde ich das hochinteressant. Man warnte mich vorweg, die Stadt ziehe religiöse Fanatiker an, aber ich reise ja schließlich, um mir die Welt mit eigenen Augen anzugucken und dabei vielleicht klüger zu werden. Insofern möchte ich den Besuch in Maschhad nicht missen, und ich möchte ganz, ganz schnell wieder weg.
Daß meine schwarze H&M-Schlabberhemdenbluse, die sich gerade eben noch zu genug Andeutung von Eleganz durchringt, um darin in Teheran nicht als Vollhonk aufzufallen, hier als Reizwäsche gilt, wird mir schon beim ersten peinsamen Testlauf zur Straßenecke bewußt. Ich stecke schneller, als man das Wort „Tourist“ sagen kann, wieder in meinem höllischen Hitzehemdmantel. H&M-Hemd bedeckt die Handgelenke nicht ganz, und vielleicht ist auch der Stoff nicht schwer genug. Die Prozentzahl Tschadors ist auf 98% hochgeschnellt. Die 2% Manteaus sind von Hamburger Herbstmanteldicke. Nachdem mich Rasul, von dem noch die Rede sein wird, beim Verlassen seines Hauses verschämt bittet, doch meinen Zentimeter sichtbaren Haaransatzes zu bedecken, rüste ich zudem mit einer elastischen Bandana unterm Kopftuch auf, aus der nun wirklich kein Entkommen mehr ist – man muß leider mal sagen, die Teheraner Haarklammern taugen nichts.
Das alles macht es zwar irre heiß, ist aber als solches noch kein Beinbruch. Ich bin ebenso strapazier- wie anpassungsfähig; und sollte vielleicht erwähnen, daß ich beim Reisen keinesfalls notwendigerweise mein burschikoses Hamburger Naturell an den Tag lege, ich bin, wenn ich zu Gast bin, zurückhaltend, bescheiden, höflich – ginge gar nicht anders, ich bin ja schüchtern. Außerdem vergesse man nie: Man ist nicht nur Botschafter seiner selbst, sondern auch seines Landes und manchmal seines ganzen Kulturkreises.
Nützen tut es mir nichts. Nicht in Maschhad. Doch, es begegnen mir noch freundliche Leute. Etwa fünf. Ansonsten zeigt man sich von ausgesuchter Ekelhaftigkeit. Man addiere Teheran und Maschhad, teile durch zwei, und schon ist Normalität wieder hergestellt.
Woran es liegt mit der Ekelhaftigkeit, ist schwer zu sagen. Ich bemühe mich natürlich auf’s Äußerste, ein möglicherweise beleidigendes Fehlverhalten meinerseits zu diagnostizieren, komme aber nicht weiter. Von den 2% Manteauträgerinnen gehöre ich zu denen, die am Sackartigsten gewandet sind und keinerlei Strähne zeigen. Aber selbst mit Tschador – wovon ebenfalls noch die Rede sein wird – zeigt sich keinerlei Verbesserung. Ich mache keine Fotos. Ich rauche nur noch im Hotelzimmer oder in leeren Seitenstraßen – Frauen rauchen öffentlich nicht, hat mir Rasul erklärt.
Ich stelle die These auf, daß vielleicht das geringste bißchen Höflichkeit einer Frau gegenüber schon als unangemessener Flirtversuch gelten kann. Andererseits werde ich in einem Laden von drei wahrlich nicht tiefspirituell wirkenden jungen Kerls auch mal zehn Minuten einfach total ignoriert, bis es mir zu blöd wird und ich gehe, und man möchte doch meinen, daß Frauen, die in einem Lebensmittelgeschäft etwas kaufen wollen, keinen offenen Affront darstellen.
Vielleicht sind meine Mechanismen der Höflichkeit hier total unangebracht. Ich sage Guten Tag, auf Wiedersehen und Danke, mittlerweile natürlich auf Farsi, und ich lächele dabei. Vielleicht ist Lächeln nicht richtig. Oder das Salaam/Choda Hafes/Merci-Sagen. Ich komme nicht dahinter. Vielleicht liegt es einfach an meiner nicht zu verbergenden Ausländerhaftigkeit – wobei Maschhad jährlich von mehreren Millionen Pilgern besucht wird, ich sehe viele Araber und einige Asiaten, Europäer allerdings nicht. Vielleicht liegt es daran, daß ich eine Frau bin.
Die Frauen. Der Tschador ist noch die legere Freizeitkleidung. Viele zeigen nur Sehschlitze und tragen Handschuhe dazu, und ich sehe einige, die gar nichts mehr dort haben, wo man ein Gesicht vermuten würde. Nichts. Nicht mal ein Burka-Sichtgitter. Einfach nur schwarzer Stoff, der sich nicht von dem schweren Umhangstoff zu unterscheiden scheint. Sie müssen Sonar haben, anders läßt sich’s nicht erklären.
Meine Neugier und Offenheit reichen ziemlich weit, das aber macht mich depressiv. Ich versuche mir eine theologische Argumentation vorzustellen, ausgehend von einem Gott, nach der die Hälfte der Menschheit Gottes Schöpfung nicht zu Gesicht bekommen dürfen, ein Privileg ansonsten jeder noch so niederen Kreatur. Mir fällt keine ein.
Ich sehe fünf-, sechsjährige Mädchen in voller Montur – und das nicht im Haram-Komplex, sondern auf den Shoppingstraßen –, und man fragt sich, ob die wohl jemals in ihrem Leben draußen gespielt haben werden.
Das Einkaufen, in Teheran eine reine Freude, wird zur Qual. Jede unvermeidliche Begegnung wird zur Qual. Gottseidank finde ich Freitagabend einen kleinen Laden, der das Notwendigste führt (Wasser, Nahrung, Klopapier, und, es hilft nichts, ich brauche Zahnpasta), in dem man zwar auch nicht freundlich ist, mich aber wenigstens zur Kenntnis nimmt und nicht anblafft. Ich ernähre mich von Obst, Brot und Frischkäse auf meinem Hotelzimmer, in ein Restaurant gehe ich hier bestimmt nicht, danke, derart harte SM-Praktiken sind nicht mein Ding. Frischkäse hat der Laden, Brot kaufen ist eine Tortur, es gibt köstliches Brot, der Duft aus den Bäckereien macht einem den Mund wässrig, aber der Bäcker gibt mir erst eines, als ein herumstehender Wenigerfieser sich meines Anliegens annimmt, und knallt mir den Fladen dann quasi ins Gesicht.
Einziger Lichtblick ist Rasul. Obwohl ich natürlich unbedingt den berühmten Haram besichtigen möchte, gehe ich am ersten Tag in die andere, säkularere Richtung, es ist Freitag, und ich finde, man muß, hat man die Wahl, als Tourist ja nicht unbedingt am Feiertag die heiligen Stätten stürmen, wenn sich dort gläubige Menschen zur Andacht einfinden. Ich stapfe ja auch nicht während des Gottesdienstes zum Sightseeing durch eine Kirche.
Ist ein bißchen Omega-Mann-mäßig. Die Straßen sind fast vollständig ausgestorben, alle Läden geschlossen. Nach einigen Blocks begegne ich einem älteren Herrn mit Pflaster am Kinn, der mich auf Englisch anspricht. Als ich sage, ich sei Deutsche, wechselt er für ein paar Sätze ins Deutsche, dann zurück in sein sehr gutes Englisch. Wir gehen ein bißchen spazieren, bis zu einer der Pforten des Harams, und unterhalten uns. Er ist in der hiesigen Historie überaus bewandert, erklärt und erzählt mir viel, wir reden auch übers Reisen generell, er zitiert mehrfach Shakespeare dazu. Wie immer wird auch über Politik geredet, national, international, er hat viele Fragen zur deutschen Politik, die, ob die Deutschen glücklich seien, ist auch darunter. Das Gespräch mit ihm ist eine Wohltat. Schließlich lädt er mich zu sich nach Hause ein, ich zögere kurz, ich bin überaus wählerisch, zu wem ich auf Reisen ins Auto steige, aber wir wissen ja: In some cases suspicion is a sin. Glaube übrigens nicht, daß sich T-Shirts mit diesem Aufdruck besonders gut verkaufen in Maschhad.
Bei ihm daheim trinken wir Tee und ich bekomme einen Teller mit Obst und Gurke angeboten. Seine Frau und seine vierzehnjährige jüngste Tochter lerne ich auch kennen, seine beiden älteren Töchter haben Kunst und französische Literatur studiert. Er hat sein ganzes Leben in Maschhad gelebt, obwohl er damals hat weggehen wollen, ins Ausland, seiner alten Eltern wegen aber mußte er bleiben. Er ist stattdessen so viel gereist wie möglich. Er arbeitet, soweit ich das verstehe, mal als Touristenführer, mal gemeinsam mit einem Verwandten im Teppichhandel – Maschhad ist auch für Teppichconnaisseurs eine Pilgerstätte. Wir plaudern ein Stündchen, dann fährt er mich heim. Falls ich Lust hätte, zum Grab Ferdosis nach Tus rauszufahren, biete er sich als Guide an; wir vereinbaren, morgen zu telefonieren.
Obwohl ich müde bin, wandere ich noch zwei Stunden durch die Stadt, die jetzt wieder zum Leben erwacht. Durch eine Basarstraße, entlang der beiden Shoppingstraßen, die sich vor dem Haram auf einem großen Platz kreuzen. Es ist ein Spießrutenlaufen. Was mir in Teheran an Befangenheit völlig fehlte, hole ich hier weidlich nach. Als ich vor einem Kleiderladen stehe und mich, obwohl ich die Preisschilder inzwischen sehr wohl lesen kann, nicht traue, einen Tschador zu kaufen – ich brauche einen, ohne kann ich den Haram nicht betreten –, unvermutet die zweite nette Begegnung. Zwei Mädchen, etwa vierzehn, sprechen mich in englischen Bröckchen an, ob ich Hilfe bräuchte. Zunächst verneine ich lächelnd, dann merke ich: Ich brauche Hilfe. Und zwar psychologische. Passiert mir nicht oft. Die zwei helfen mir bei der Tschadorkaufabwicklung, und ich bin froh, das hinter mir zu haben. Die billigsten kosten zwei Euro, sind aber weiß, das geht zwar und wird auch zum Harambesuch genutzt, aber mal lieber nicht von mir, ich investiere drei Euro mehr und erwerbe einen, dessen Schwarz bloß von einigen Blümchenmustern gestört wird – die ganz schwarzen sind die teuersten. Ich bedanke mich herzlich bei den Mädchen und mache mich aus dem Staub. Passiert mir nicht oft auf Reisen, mich in mein Hotelzimmer zurückzusehnen.
Daß meine schwarze H&M-Schlabberhemdenbluse, die sich gerade eben noch zu genug Andeutung von Eleganz durchringt, um darin in Teheran nicht als Vollhonk aufzufallen, hier als Reizwäsche gilt, wird mir schon beim ersten peinsamen Testlauf zur Straßenecke bewußt. Ich stecke schneller, als man das Wort „Tourist“ sagen kann, wieder in meinem höllischen Hitzehemdmantel. H&M-Hemd bedeckt die Handgelenke nicht ganz, und vielleicht ist auch der Stoff nicht schwer genug. Die Prozentzahl Tschadors ist auf 98% hochgeschnellt. Die 2% Manteaus sind von Hamburger Herbstmanteldicke. Nachdem mich Rasul, von dem noch die Rede sein wird, beim Verlassen seines Hauses verschämt bittet, doch meinen Zentimeter sichtbaren Haaransatzes zu bedecken, rüste ich zudem mit einer elastischen Bandana unterm Kopftuch auf, aus der nun wirklich kein Entkommen mehr ist – man muß leider mal sagen, die Teheraner Haarklammern taugen nichts.
Das alles macht es zwar irre heiß, ist aber als solches noch kein Beinbruch. Ich bin ebenso strapazier- wie anpassungsfähig; und sollte vielleicht erwähnen, daß ich beim Reisen keinesfalls notwendigerweise mein burschikoses Hamburger Naturell an den Tag lege, ich bin, wenn ich zu Gast bin, zurückhaltend, bescheiden, höflich – ginge gar nicht anders, ich bin ja schüchtern. Außerdem vergesse man nie: Man ist nicht nur Botschafter seiner selbst, sondern auch seines Landes und manchmal seines ganzen Kulturkreises.
Nützen tut es mir nichts. Nicht in Maschhad. Doch, es begegnen mir noch freundliche Leute. Etwa fünf. Ansonsten zeigt man sich von ausgesuchter Ekelhaftigkeit. Man addiere Teheran und Maschhad, teile durch zwei, und schon ist Normalität wieder hergestellt.
Woran es liegt mit der Ekelhaftigkeit, ist schwer zu sagen. Ich bemühe mich natürlich auf’s Äußerste, ein möglicherweise beleidigendes Fehlverhalten meinerseits zu diagnostizieren, komme aber nicht weiter. Von den 2% Manteauträgerinnen gehöre ich zu denen, die am Sackartigsten gewandet sind und keinerlei Strähne zeigen. Aber selbst mit Tschador – wovon ebenfalls noch die Rede sein wird – zeigt sich keinerlei Verbesserung. Ich mache keine Fotos. Ich rauche nur noch im Hotelzimmer oder in leeren Seitenstraßen – Frauen rauchen öffentlich nicht, hat mir Rasul erklärt.
Ich stelle die These auf, daß vielleicht das geringste bißchen Höflichkeit einer Frau gegenüber schon als unangemessener Flirtversuch gelten kann. Andererseits werde ich in einem Laden von drei wahrlich nicht tiefspirituell wirkenden jungen Kerls auch mal zehn Minuten einfach total ignoriert, bis es mir zu blöd wird und ich gehe, und man möchte doch meinen, daß Frauen, die in einem Lebensmittelgeschäft etwas kaufen wollen, keinen offenen Affront darstellen.
Vielleicht sind meine Mechanismen der Höflichkeit hier total unangebracht. Ich sage Guten Tag, auf Wiedersehen und Danke, mittlerweile natürlich auf Farsi, und ich lächele dabei. Vielleicht ist Lächeln nicht richtig. Oder das Salaam/Choda Hafes/Merci-Sagen. Ich komme nicht dahinter. Vielleicht liegt es einfach an meiner nicht zu verbergenden Ausländerhaftigkeit – wobei Maschhad jährlich von mehreren Millionen Pilgern besucht wird, ich sehe viele Araber und einige Asiaten, Europäer allerdings nicht. Vielleicht liegt es daran, daß ich eine Frau bin.
Die Frauen. Der Tschador ist noch die legere Freizeitkleidung. Viele zeigen nur Sehschlitze und tragen Handschuhe dazu, und ich sehe einige, die gar nichts mehr dort haben, wo man ein Gesicht vermuten würde. Nichts. Nicht mal ein Burka-Sichtgitter. Einfach nur schwarzer Stoff, der sich nicht von dem schweren Umhangstoff zu unterscheiden scheint. Sie müssen Sonar haben, anders läßt sich’s nicht erklären.
Meine Neugier und Offenheit reichen ziemlich weit, das aber macht mich depressiv. Ich versuche mir eine theologische Argumentation vorzustellen, ausgehend von einem Gott, nach der die Hälfte der Menschheit Gottes Schöpfung nicht zu Gesicht bekommen dürfen, ein Privileg ansonsten jeder noch so niederen Kreatur. Mir fällt keine ein.
Ich sehe fünf-, sechsjährige Mädchen in voller Montur – und das nicht im Haram-Komplex, sondern auf den Shoppingstraßen –, und man fragt sich, ob die wohl jemals in ihrem Leben draußen gespielt haben werden.
Das Einkaufen, in Teheran eine reine Freude, wird zur Qual. Jede unvermeidliche Begegnung wird zur Qual. Gottseidank finde ich Freitagabend einen kleinen Laden, der das Notwendigste führt (Wasser, Nahrung, Klopapier, und, es hilft nichts, ich brauche Zahnpasta), in dem man zwar auch nicht freundlich ist, mich aber wenigstens zur Kenntnis nimmt und nicht anblafft. Ich ernähre mich von Obst, Brot und Frischkäse auf meinem Hotelzimmer, in ein Restaurant gehe ich hier bestimmt nicht, danke, derart harte SM-Praktiken sind nicht mein Ding. Frischkäse hat der Laden, Brot kaufen ist eine Tortur, es gibt köstliches Brot, der Duft aus den Bäckereien macht einem den Mund wässrig, aber der Bäcker gibt mir erst eines, als ein herumstehender Wenigerfieser sich meines Anliegens annimmt, und knallt mir den Fladen dann quasi ins Gesicht.
Einziger Lichtblick ist Rasul. Obwohl ich natürlich unbedingt den berühmten Haram besichtigen möchte, gehe ich am ersten Tag in die andere, säkularere Richtung, es ist Freitag, und ich finde, man muß, hat man die Wahl, als Tourist ja nicht unbedingt am Feiertag die heiligen Stätten stürmen, wenn sich dort gläubige Menschen zur Andacht einfinden. Ich stapfe ja auch nicht während des Gottesdienstes zum Sightseeing durch eine Kirche.
Ist ein bißchen Omega-Mann-mäßig. Die Straßen sind fast vollständig ausgestorben, alle Läden geschlossen. Nach einigen Blocks begegne ich einem älteren Herrn mit Pflaster am Kinn, der mich auf Englisch anspricht. Als ich sage, ich sei Deutsche, wechselt er für ein paar Sätze ins Deutsche, dann zurück in sein sehr gutes Englisch. Wir gehen ein bißchen spazieren, bis zu einer der Pforten des Harams, und unterhalten uns. Er ist in der hiesigen Historie überaus bewandert, erklärt und erzählt mir viel, wir reden auch übers Reisen generell, er zitiert mehrfach Shakespeare dazu. Wie immer wird auch über Politik geredet, national, international, er hat viele Fragen zur deutschen Politik, die, ob die Deutschen glücklich seien, ist auch darunter. Das Gespräch mit ihm ist eine Wohltat. Schließlich lädt er mich zu sich nach Hause ein, ich zögere kurz, ich bin überaus wählerisch, zu wem ich auf Reisen ins Auto steige, aber wir wissen ja: In some cases suspicion is a sin. Glaube übrigens nicht, daß sich T-Shirts mit diesem Aufdruck besonders gut verkaufen in Maschhad.
Bei ihm daheim trinken wir Tee und ich bekomme einen Teller mit Obst und Gurke angeboten. Seine Frau und seine vierzehnjährige jüngste Tochter lerne ich auch kennen, seine beiden älteren Töchter haben Kunst und französische Literatur studiert. Er hat sein ganzes Leben in Maschhad gelebt, obwohl er damals hat weggehen wollen, ins Ausland, seiner alten Eltern wegen aber mußte er bleiben. Er ist stattdessen so viel gereist wie möglich. Er arbeitet, soweit ich das verstehe, mal als Touristenführer, mal gemeinsam mit einem Verwandten im Teppichhandel – Maschhad ist auch für Teppichconnaisseurs eine Pilgerstätte. Wir plaudern ein Stündchen, dann fährt er mich heim. Falls ich Lust hätte, zum Grab Ferdosis nach Tus rauszufahren, biete er sich als Guide an; wir vereinbaren, morgen zu telefonieren.
Obwohl ich müde bin, wandere ich noch zwei Stunden durch die Stadt, die jetzt wieder zum Leben erwacht. Durch eine Basarstraße, entlang der beiden Shoppingstraßen, die sich vor dem Haram auf einem großen Platz kreuzen. Es ist ein Spießrutenlaufen. Was mir in Teheran an Befangenheit völlig fehlte, hole ich hier weidlich nach. Als ich vor einem Kleiderladen stehe und mich, obwohl ich die Preisschilder inzwischen sehr wohl lesen kann, nicht traue, einen Tschador zu kaufen – ich brauche einen, ohne kann ich den Haram nicht betreten –, unvermutet die zweite nette Begegnung. Zwei Mädchen, etwa vierzehn, sprechen mich in englischen Bröckchen an, ob ich Hilfe bräuchte. Zunächst verneine ich lächelnd, dann merke ich: Ich brauche Hilfe. Und zwar psychologische. Passiert mir nicht oft. Die zwei helfen mir bei der Tschadorkaufabwicklung, und ich bin froh, das hinter mir zu haben. Die billigsten kosten zwei Euro, sind aber weiß, das geht zwar und wird auch zum Harambesuch genutzt, aber mal lieber nicht von mir, ich investiere drei Euro mehr und erwerbe einen, dessen Schwarz bloß von einigen Blümchenmustern gestört wird – die ganz schwarzen sind die teuersten. Ich bedanke mich herzlich bei den Mädchen und mache mich aus dem Staub. Passiert mir nicht oft auf Reisen, mich in mein Hotelzimmer zurückzusehnen.
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Kommentare
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gar nicht so uebel ... nein ist natürlich ganz ( ! ) anders gemeint. lese Ihren blog sehr gern am ipad unterwegs und freue mich bereits auf weitere tägliche Berichte. Sonar und strapazierfähig, besser hätte man es hier nicht benennen können in diesem Bericht. Bei Ihnen siegt offenbar stets die Neugierde gegenüber der Skepsis. Wünsche Ihnen viel free Steckdose und free WIFI damit wir bei Ihren weiteren Stationen aus der weiten Ferne interessiert mitreisen können. Alle guten Wünsche aus HH
#1
Bernd Neumann
am
03.08.2010 18:20
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