Dreckstag. Um drei ins Kissen gesunken mit der seligen Freude, morgen Herr meiner selbst zu sein, wozu ausschlafen gehört (heißt nicht notwendigerweise spät, ich kann auf Reisen zum eifernden Frühaufsteher werden, heißt lediglich: Ich kann’s entscheiden). Pläne durchkreuzt von Hoteltyp, ruft mich 8:00 an, ob ich nicht bald mal bitte schleunigst zu frühstücken gedenke, Frühstück gäb’s nur bis spätestens neun. Bin vergrätzt.
Und müde. Und krank. Magenkrämpfe, ahnte ich schon gestern, daß mir in Gestalt dieses Touristenhuhns das absolute Böse entgegentritt. Man ward ja schon vom Hinsehen malade.
Muß schreiben. Hilft nix. Muß sein. Habe zuvor noch nie Blog geführt, empfinde ungeahnte Freude daran, größtenteils, außer heute zum Beispiel, wo’s mir alles nur dräuend im Nacken sitzt. Schreibe von 9:00 bis 17:00 Uhr, widme mich dann meinem Internet- und Zugticketproblem. Komme mit letzterem nicht weiter, mitgeführte Telefonnummer hiesiger Zugticketbuchagentur führt ins Leere, die nichtenglischsprachige Majorität der Hoteliersfamilie versteht mich nicht und kann somit auch keine Tips & Tricks beitragen. Immerhin, treibe Internetcafé auf und verzweifle – das Hochladen eines Blogeintrages würde daheim ca. fünf Minuten in Anspruch nehmen, von hier aus dauert es ein bis zwei Stunden in guten Zeiten, in schlechteren Zeiten geht gar nichts. Das Hochladen und Einbauen von Bildern verursacht ca. sechs wiederkehrende Kardinalfehler, selten weniger als fünf davon gleichzeitig.
Bekomme endlich meine Mails. Kontaktsperre war womöglich weniger turkmenischen Schergen geschuldet als einer 24-MB-Datei (nehme an, der turkmenische Server verfügt über 25 MB, der Netzzugang des ganzen Landes muß eine Woche lang lahmgelegt gewesen sein) von Brenda. Mit Endung auf .rar. Rar indeed it is – ich finde kein Programm, das ein .rar in Erwägung zöge. Brenda, wenn du mitliest: Ich freue mich auch so, aber bittebitte schick’s nicht nochmal!
Es ist inzwischen 20:00, operiere seit zwölf Stunden hauptsächlich auf Magenschmerzen, keine Nahrungsaufnahme, kein auch nur flüchtiger Blick auf Buchara möglich. Als die 24 MB endlich verknust sind, habe ich dreihundert Mails. Von meinen fehlenden Fahrkarten handelt keine einzige, dafür bekomme ich Angejahrte, nach denen ich einen weiteren Text anderswohin hätte liefern müssen, wovon ich nichts wußte, müssen Höhere Wesen hinter meinem Offlinerücken befohlen haben. Auf meine irritierte Nachfrage heißt es, man würde selbstverständlich umdisponieren (Umdisponieren? Mein letzter Kontakt mit der Wirklichen Welt fand unter erschwerten Bedingungen in Maschhad statt, von welcher Ursprungsdisposition ist zum Henker die Rede?), ich müßte bloß eine gesicherte Zusage zu einem Termin geben, von dem wahrscheinlich in einer der dreihundert Mails, die ich gerade während dreier Stunden runterzuladen versuchte, die Rede war.
Gesicherte Zusage? Wie soll ich auch nur garantieren, daß aus meinem Magen nicht innerhalb der nächsten dreißig Minuten ein Alien herausbricht (ich
weiß, ihr habt das gesehen), das die gesamte Besatzung des Internetcafés plus die nächste historische Medressa verfühstückt? Hm?
Ich bin dem nicht gewachsen, habe erbärmliche Magenkrämpfe, keine dringend notwendigen Zugtickets, keine Zeit, Durchfall, und habe ich die Magenkrämpfe schon erwähnt? Ich werde übrigens nie krank von schmuddeligen einheimischen Bratbuden, mich schafft stets die Touristerie.
Vergessen wir Buchara. Kann man ja mal wieder hin. Beiße die Zähne zusammen und öffne sie nur, um mit Bier das Alien zu sedieren und mir selbst die Sporen zu geben. Arbeite bis 3:30, bekomme nichts in den Griff, und mein Bauch tut weh. Ich tue, was ich kann. Mit den höchst wesentlichen Zugtickets bin ich kein bißchen vorangekommen, obwohl ich alles nur Denkbare versuchte. Kämpfe gegen Müdigkeit, habe als eiserner Deadlinepreuße hysterische Schuldgefühle einer Textdeadline wegen, von der ich nichts wissen konnte, habe nichts von Buchara gesehen aber Bauchweh. Normalerweise ist Schreiben eine Lust, grad ist es Qual, ich versuche dem Hoteljungen den 8:00-Weckruf auszureden und würde so verdammt gerne trotz allem morgen einen wenigstens flüchtigen Blick auf Buchara werfen. Wer weiß, wann ich hier wieder entlangkomme.