Es regnet. Gießt, schüttet. Die Straßen haben sich in reißende Flüsse verwandelt. Gischt spritzt, Wale blasen. Verdammt, und dies an meinem letzten Tag in einer Stadt, die ausnahmsweise noch nicht erschöpfend abgewandert ist. Andererseits, ich habe da ja noch dieses klitzekleine Fahrkartenproblem, bis das gelöst ist, scheint gewiß wieder die Sonne. Beschließe ich. Treffe den netten Herrn Augustin im Hotel, wo er Verleger abholt, er stellt zwar anhand der Vorwahl meiner Ansprechpartner-vor-Ort-Rufnummer fest, daß ebendieser sich in Moskau befindet; dort aber ist’s zwei Stunden früher, also sieben Uhr früh, man ist noch nicht auf. Ich plantsche ausgiebig in literweise Selfmadekaffee, kontaktiere dann Asem, die versuchen will, in Moskau wen zu erreichen.
Montag, 23. August 2010
23. August. Adieu Almaty & Mission Plov Accomplished
Was ihr gelingt. Man verspricht ihr, sich diese meine Frage zu stellen, sie solle sich in zwei Stunden zurückmelden, worauf ich mich bei ihr zurückmelden soll. Ich vertreibe mir die Zeit damit, dem Geschehen hinterherzubloggen, bis zum Anruf der Rezeption kurz vor 14 Uhr: Mein Ticket sei da. Ich frohlocke. Erstaunlicherweise funktionieren die Dinge ja bekanntlich dann doch immer irgendwie, wenn auch keiner weiß, wie eigentlich genau.
Falls nicht, wäre jetzt der Zeitpunkt, wo’s eng würde. Die Durchführung dieser ganzen Expedition in so vergleichsweise kurzer Zeit erforderte mehr als halbjährige Recherchen und Planung, sowie größtmögliche Voraborganisation. Einige meiner Zugverbindungen sind häufig, andere fahren nur einmal (Istanbul – Teheran) oder zweimal wöchentlich (der heutige Zug von Almaty nach Ürümqi), sind sowohl zuweilen Wochen im voraus ausgebucht als auch manchmal erst wenige Wochen vorher überhaupt buchbar. Deswegen sammele ich meine Tickets unterwegs auf, deswegen kann ich sie mir nicht vor Ort selbst besorgen, will ich keine mehrtägigen oder -wöchigen Verzögerungen riskieren.
Nun suchte ich mir zwar einst die Verbindungen zusammen, damals gab’s aber noch keinen aktuellen Fahrplan, den gab’s teils selbst bei meiner Abreise aus Hamburg noch nicht. Daraus resultiert z. B., daß der aktuelle Almaty-Ürümqi-Zug zwei Tage eher fährt als gedacht, ich also mehr Zeit in Kasachstan, aber weniger in China habe. Das letzte Wegstück ist damit derart eng getaktet, es bleibt mir kein Reservetag nirgends, bricht hier jetzt irgendwas zusammen, ist das ganze letzte Stück der Kette mit Zügen und Hotels hinfällig.
Aber erstmal sieht’s sonnig aus, wenn auch nur im Herzen, an das ich meine Fahrkarte drücke. Nun allerdings will ich draußen spielen. Aus Gewichtsersparnisgründen beschloß ich, in Zentralasien regne es nicht, und ließ die Funktionsjacke daheim. Wobei ich ohnehin eher Ölzeug oder besser noch Neopren benötigte.
Ach was, sagt der Hamburger, das bißchen Regen schreckt mich nicht, und ertrinkt prompt an der nächsten Straßenkreuzung.
Keine Chance. Zwar habe ich mich in eine Art durchsichtigen gelben Plastikmüllsack gewandet, der leichtgewichtigste Kompromiß für den Fall, Zentralasien könne meine Schlechtwetteransichten doch nicht teilen, und gewiß das unwürdigste Kleidungsstück, das ich je am Lebe trug, aber was nützt das schon, strömt das Wasser kniehoch durch die Straßen. Immerhin entdecke ich unterwegs, daß der Plastikmüllsack hierorts durchaus en vogue ist, und erwerbe, den Schamverlust nutzend, als passendes Accessoire noch eine dieser karierten Plastiktaschen, die zerfledderte Provianttüte zu ersetzen.
Ich kenne solche Taschen unter dem Begriff „Polenkoffer“, sie sollen anderswo – vermutlich in Polen – auch als „Russenkoffer“ bezeichnet werden. Hier nenne man sie, so der nette Herr Augustin, „Chinesenkoffer“, und ich zweifele nicht daran, daß sie in China „Kasachenkoffer“ heißen. Als internationalisierte Begrifflichkeit böte sich vielleicht der Ausdruck „Nachbarnationendisstasche“ an.
Ich schaffe es gerade mal bis zum Supermarkt zwei Blocks weiter, fülle meine nagelneue Provianttasche mit Bahnfahrtnahrungsmitteln, gute Teilbarkeit ist dabei ein wesentliches Kriterium, und schwimme mit kräftigen Zügen zum Hotel zurück, um mich dort in meinen heutigen Stubenarrest zu fügen.
Bis 18 Uhr, dann stehe ich mit Sack und Pack – die Nachbarnationendisstasche erhöht die Fragwürdigkeit meines Auftretens noch erheblich – an der Rezeption und bitte um ein Taxi. Muß zwar erst um 19 Uhr im Goethe-Institut sein, aber eingedenk meines schlechten Taxikarmas will ich heute gern mal den letzten Drücker vermeiden. Weise Voraussicht – es gibt nämlich keine Taxis, des Regens wegen. Das hoteleigene Faktotum erbarmt sich schließlich, stürzt sich hinaus in die Fluten und kommt nach fünfzehn Minuten mit einem Taxifahrer zurück, keine Ahnung, wo er den herhat.
Doch, weiß ich. Nach drei Minuten im Taxi. Den wollte einfach sonst keiner. Der arme Mann hat trotz seines biblischen Alters noch nie eine weibliche Person gesehen, er fährt dementsprechend überall gegen, wildes Gehupe, quietschende Bremsen, Alleebäume springen in letzter Sekunde aus dem Weg, alldieweil der Taxifahrer das Steuer zwar in beiden Händen hält, den Kopf aber um 180° gedreht hat, um mir hemmungslos in Gesicht und Ausschnitt zu starren. Ich dachte, das könnten nur Eulen. Beim Aussteigen hascht er mir nach und kriegt noch flüchtig Zopf und Nacken erwischt, ich empfinde leichte Fremdscham für ihn.
Einzug des Touristen. Gottlob lief mir unten ein kleines Kontingent der gestrigen Reisegruppe über den Weg, die mir das Geraffel in den vierten Stock schleppen helfen. Währenddessen ragen hinter der Stadt die Berge dramatisch aus Wolkenfetzen, ich hoffte, oben aus einem Fenster das mal fotografieren zu können, dafür aber müßte ich zunächst zwei Dutzend große alte Bäume niederholzen, und dazu hab ich gerade keine Zeit, ich soll hier ja ein bißchen was vorlesen. Einer Tagung von GUS-Staaten-Verlegern und, welch Wiedersehensfreude, einem Fanclub der Journalismusseminaristen. Der nette Herr Augustin kocht mir Kaffee, die Institutsleiterin Frau Fraenkel-Thonet stellt mich mit Kurzbio vor und fügt hinzu, ich hätte ein akutes Plovproblem, sachdienliche Plovhinweise würden dankend entgegengenommen; sie outet sich somit als Blogleserin, ich freue mich drüber.
Ich lese ein knappes Stündchen, aus gegebenem Anlaß erst „Lebensform Tourist“ (auf diesem Blog irgendwo), dann eine Reisegeschichte aus Papua. Im Anschluß Fragestunde, was wirklich Spaß macht, oft beschränkt sich dergleichen ja auf die beiden Tötungsgrundfragen Ist-das-autobiografisch und Können-Sie-vom-Schreiben-leben, hier aber geht’s ums Reisen, von praktisch (Impfungen) bis philosophisch, ums Schreiben, Kultur und Kulturschocks, Politik und Gesellschaft, Generelles und Persönliches. Währenddessen übrigens wurde im Hintergrund ein Fototapetensonnenuntergang arrangiert, der sich gewaschen hat (sollte mir je wieder Netzverbindung begegnen und ich das Foto davon gemailt kriegen, stelle ich’s hier rein).
Auf die Frage, warum ich’s so mit dem Reisen habe, kann ich nur antworten: Ist vermutlich genetisch. Schon als Vier- oder Fünfjährige habe ich mit meinen Puppen nicht Mutter-und-Kind gespielt, meine Puppen waren als Tom Sawyer und Huck Finn auf Abenteuer aus und reisten wie Hobos auf Zugdächern – auf einem Zugdach zu reisen ist der früheste Kindheitstraum, an den ich mich erinnere, nach 25 Jahren war’s in Kambodscha dann endlich soweit. Während anderer Mädchen Barbies sich für ein Date mit Ken hübschmachten, hatten meine für sowas keine Zeit, sie waren ständig am Amazonas und zum Nordpol unterwegs (der rosa Barbiescheiß taugte nichts, aber die Big-Jim-Accessoires waren gut, ich hatte den Camper und eine Freundin den Jeep, damit ließ sich was anfangen!), und selbst meinem Monchichi habe ich Schlaf- und Trekkingrucksack genäht und Bergsteigerausrüstung gebastelt. Es muß genetisch sein.
Inzwischen sind bei Frau Fraenkel-Thonet dringliche Plovdepeschen eingetroffen, und wir ziehen in netter kleiner Runde noch weiter, in eine charmante muslimische Kantine, wo wir gemeinsam ploven.
Plov Revisited. Selber Reis wie letztes Mal, nur sind die drei Lammstücke noch etwas kleiner. Ein Novum ist die optionale scharfe Sauce, wenn man die drüberschüttet, schmeckt es zumindest nach scharfer Sauce. Mein Fazit: Der Plov, ein Gericht, das eher in der Postkartenedition zu sich selbst findet als beim Verzehr.
Dazu probiere ich Kamelmilch – Airag, die vergorene Stutenmilch der Mongolei, mochte ich irgendwann notgedrungen sogar ganz gerne –, ist mir aber zu säuerlich. Wir schnacken noch ein Stündchen, brechen dann auf. Wär’ ja schade, jetzt, wo ich ein so schönes Ticket habe, den Zug zu verpassen.
Der nette Herr Augustin schenkt mir noch eine Flasche Kwass – lecker, kenne ich aus Sibirien –, dann teilen wir uns ein Taxi, das sich in zwei Discomäusen manifestiert, die auf sein Handzeichen anhalten. Wir verstauen mein Gebratze (ein sächsischer Ausdruck für Geraffel, den mir Herr Augustin beigebracht hat) im Kofferraum und nehmen auf der Rückbank Platz. Im Radio läuft ein bizarrer Humpta-Danceremix von Türlich, türlich (sicher, Dicker), ich amüsiere die Mäuse königlich dadurch, daß ich mitsinge und ein paar alberne Rapgesten mache.
Am Bahnhof Abschied vom netten Herrn Augustin, ach, immer diese Abschiede. Der Zug wartet natürlich schon, eine gute halbe Stunde vor Abfahrt um 23:10. Er ist chinesisch. Sieht so aus, als gelangte ich wahrlich demnächst nach China. Verblüffend. Na, kann ich wenigstens bald aufhören so zu tun, als spräche ich Russisch, und mich darauf beschränken, stumm und großäugig in der Gegend rumzustaunen und gar nichts mehr zu verstehen.
Falls nicht, wäre jetzt der Zeitpunkt, wo’s eng würde. Die Durchführung dieser ganzen Expedition in so vergleichsweise kurzer Zeit erforderte mehr als halbjährige Recherchen und Planung, sowie größtmögliche Voraborganisation. Einige meiner Zugverbindungen sind häufig, andere fahren nur einmal (Istanbul – Teheran) oder zweimal wöchentlich (der heutige Zug von Almaty nach Ürümqi), sind sowohl zuweilen Wochen im voraus ausgebucht als auch manchmal erst wenige Wochen vorher überhaupt buchbar. Deswegen sammele ich meine Tickets unterwegs auf, deswegen kann ich sie mir nicht vor Ort selbst besorgen, will ich keine mehrtägigen oder -wöchigen Verzögerungen riskieren.
Nun suchte ich mir zwar einst die Verbindungen zusammen, damals gab’s aber noch keinen aktuellen Fahrplan, den gab’s teils selbst bei meiner Abreise aus Hamburg noch nicht. Daraus resultiert z. B., daß der aktuelle Almaty-Ürümqi-Zug zwei Tage eher fährt als gedacht, ich also mehr Zeit in Kasachstan, aber weniger in China habe. Das letzte Wegstück ist damit derart eng getaktet, es bleibt mir kein Reservetag nirgends, bricht hier jetzt irgendwas zusammen, ist das ganze letzte Stück der Kette mit Zügen und Hotels hinfällig.
Aber erstmal sieht’s sonnig aus, wenn auch nur im Herzen, an das ich meine Fahrkarte drücke. Nun allerdings will ich draußen spielen. Aus Gewichtsersparnisgründen beschloß ich, in Zentralasien regne es nicht, und ließ die Funktionsjacke daheim. Wobei ich ohnehin eher Ölzeug oder besser noch Neopren benötigte.
Ach was, sagt der Hamburger, das bißchen Regen schreckt mich nicht, und ertrinkt prompt an der nächsten Straßenkreuzung.
Keine Chance. Zwar habe ich mich in eine Art durchsichtigen gelben Plastikmüllsack gewandet, der leichtgewichtigste Kompromiß für den Fall, Zentralasien könne meine Schlechtwetteransichten doch nicht teilen, und gewiß das unwürdigste Kleidungsstück, das ich je am Lebe trug, aber was nützt das schon, strömt das Wasser kniehoch durch die Straßen. Immerhin entdecke ich unterwegs, daß der Plastikmüllsack hierorts durchaus en vogue ist, und erwerbe, den Schamverlust nutzend, als passendes Accessoire noch eine dieser karierten Plastiktaschen, die zerfledderte Provianttüte zu ersetzen.
Ich kenne solche Taschen unter dem Begriff „Polenkoffer“, sie sollen anderswo – vermutlich in Polen – auch als „Russenkoffer“ bezeichnet werden. Hier nenne man sie, so der nette Herr Augustin, „Chinesenkoffer“, und ich zweifele nicht daran, daß sie in China „Kasachenkoffer“ heißen. Als internationalisierte Begrifflichkeit böte sich vielleicht der Ausdruck „Nachbarnationendisstasche“ an.
Nachbarnationendisstasche
Ich schaffe es gerade mal bis zum Supermarkt zwei Blocks weiter, fülle meine nagelneue Provianttasche mit Bahnfahrtnahrungsmitteln, gute Teilbarkeit ist dabei ein wesentliches Kriterium, und schwimme mit kräftigen Zügen zum Hotel zurück, um mich dort in meinen heutigen Stubenarrest zu fügen.
Bis 18 Uhr, dann stehe ich mit Sack und Pack – die Nachbarnationendisstasche erhöht die Fragwürdigkeit meines Auftretens noch erheblich – an der Rezeption und bitte um ein Taxi. Muß zwar erst um 19 Uhr im Goethe-Institut sein, aber eingedenk meines schlechten Taxikarmas will ich heute gern mal den letzten Drücker vermeiden. Weise Voraussicht – es gibt nämlich keine Taxis, des Regens wegen. Das hoteleigene Faktotum erbarmt sich schließlich, stürzt sich hinaus in die Fluten und kommt nach fünfzehn Minuten mit einem Taxifahrer zurück, keine Ahnung, wo er den herhat.
Doch, weiß ich. Nach drei Minuten im Taxi. Den wollte einfach sonst keiner. Der arme Mann hat trotz seines biblischen Alters noch nie eine weibliche Person gesehen, er fährt dementsprechend überall gegen, wildes Gehupe, quietschende Bremsen, Alleebäume springen in letzter Sekunde aus dem Weg, alldieweil der Taxifahrer das Steuer zwar in beiden Händen hält, den Kopf aber um 180° gedreht hat, um mir hemmungslos in Gesicht und Ausschnitt zu starren. Ich dachte, das könnten nur Eulen. Beim Aussteigen hascht er mir nach und kriegt noch flüchtig Zopf und Nacken erwischt, ich empfinde leichte Fremdscham für ihn.
Einzug des Touristen
Einzug des Touristen. Gottlob lief mir unten ein kleines Kontingent der gestrigen Reisegruppe über den Weg, die mir das Geraffel in den vierten Stock schleppen helfen. Währenddessen ragen hinter der Stadt die Berge dramatisch aus Wolkenfetzen, ich hoffte, oben aus einem Fenster das mal fotografieren zu können, dafür aber müßte ich zunächst zwei Dutzend große alte Bäume niederholzen, und dazu hab ich gerade keine Zeit, ich soll hier ja ein bißchen was vorlesen. Einer Tagung von GUS-Staaten-Verlegern und, welch Wiedersehensfreude, einem Fanclub der Journalismusseminaristen. Der nette Herr Augustin kocht mir Kaffee, die Institutsleiterin Frau Fraenkel-Thonet stellt mich mit Kurzbio vor und fügt hinzu, ich hätte ein akutes Plovproblem, sachdienliche Plovhinweise würden dankend entgegengenommen; sie outet sich somit als Blogleserin, ich freue mich drüber.
Ich lese ein knappes Stündchen, aus gegebenem Anlaß erst „Lebensform Tourist“ (auf diesem Blog irgendwo), dann eine Reisegeschichte aus Papua. Im Anschluß Fragestunde, was wirklich Spaß macht, oft beschränkt sich dergleichen ja auf die beiden Tötungsgrundfragen Ist-das-autobiografisch und Können-Sie-vom-Schreiben-leben, hier aber geht’s ums Reisen, von praktisch (Impfungen) bis philosophisch, ums Schreiben, Kultur und Kulturschocks, Politik und Gesellschaft, Generelles und Persönliches. Währenddessen übrigens wurde im Hintergrund ein Fototapetensonnenuntergang arrangiert, der sich gewaschen hat (sollte mir je wieder Netzverbindung begegnen und ich das Foto davon gemailt kriegen, stelle ich’s hier rein).
Bemerkenswerte Fototapete des Goethe-Instituts Almaty
Auf die Frage, warum ich’s so mit dem Reisen habe, kann ich nur antworten: Ist vermutlich genetisch. Schon als Vier- oder Fünfjährige habe ich mit meinen Puppen nicht Mutter-und-Kind gespielt, meine Puppen waren als Tom Sawyer und Huck Finn auf Abenteuer aus und reisten wie Hobos auf Zugdächern – auf einem Zugdach zu reisen ist der früheste Kindheitstraum, an den ich mich erinnere, nach 25 Jahren war’s in Kambodscha dann endlich soweit. Während anderer Mädchen Barbies sich für ein Date mit Ken hübschmachten, hatten meine für sowas keine Zeit, sie waren ständig am Amazonas und zum Nordpol unterwegs (der rosa Barbiescheiß taugte nichts, aber die Big-Jim-Accessoires waren gut, ich hatte den Camper und eine Freundin den Jeep, damit ließ sich was anfangen!), und selbst meinem Monchichi habe ich Schlaf- und Trekkingrucksack genäht und Bergsteigerausrüstung gebastelt. Es muß genetisch sein.
Inzwischen sind bei Frau Fraenkel-Thonet dringliche Plovdepeschen eingetroffen, und wir ziehen in netter kleiner Runde noch weiter, in eine charmante muslimische Kantine, wo wir gemeinsam ploven.
Plov Revisited. Selber Reis wie letztes Mal, nur sind die drei Lammstücke noch etwas kleiner. Ein Novum ist die optionale scharfe Sauce, wenn man die drüberschüttet, schmeckt es zumindest nach scharfer Sauce. Mein Fazit: Der Plov, ein Gericht, das eher in der Postkartenedition zu sich selbst findet als beim Verzehr.
Dazu probiere ich Kamelmilch – Airag, die vergorene Stutenmilch der Mongolei, mochte ich irgendwann notgedrungen sogar ganz gerne –, ist mir aber zu säuerlich. Wir schnacken noch ein Stündchen, brechen dann auf. Wär’ ja schade, jetzt, wo ich ein so schönes Ticket habe, den Zug zu verpassen.
Mission Plov Accomplished
Der nette Herr Augustin schenkt mir noch eine Flasche Kwass – lecker, kenne ich aus Sibirien –, dann teilen wir uns ein Taxi, das sich in zwei Discomäusen manifestiert, die auf sein Handzeichen anhalten. Wir verstauen mein Gebratze (ein sächsischer Ausdruck für Geraffel, den mir Herr Augustin beigebracht hat) im Kofferraum und nehmen auf der Rückbank Platz. Im Radio läuft ein bizarrer Humpta-Danceremix von Türlich, türlich (sicher, Dicker), ich amüsiere die Mäuse königlich dadurch, daß ich mitsinge und ein paar alberne Rapgesten mache.
Am Bahnhof Abschied vom netten Herrn Augustin, ach, immer diese Abschiede. Der Zug wartet natürlich schon, eine gute halbe Stunde vor Abfahrt um 23:10. Er ist chinesisch. Sieht so aus, als gelangte ich wahrlich demnächst nach China. Verblüffend. Na, kann ich wenigstens bald aufhören so zu tun, als spräche ich Russisch, und mich darauf beschränken, stumm und großäugig in der Gegend rumzustaunen und gar nichts mehr zu verstehen.
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