Und dies also ist meine neue Shanghaimat. Hu Peihua von der Shanghai Writers’ Association, die ich ebenfalls bislang nur aus eMails kenne, hat mich am Bahnhof abgeholt, und, nach einer ausgiebigen Stunde im morgendlichen Rushhour-Stau, liebevoll mit dem Start-up-Kit für den eigenen Shanghaier Hausstand ausgestattet: Sim-Karte, ÖPNV-Karte (mit der sich gar Taxifahren läßt), Messer, Gabel, Schere, Licht, Eßstäbchen und Tellerchen, Topf und Schwamm, Pfännchen und Waschpulver. Die Waschmaschine ist auf chinesisch und wird von Hu Peihua trotzdem nicht verstanden, wir müssen den Waschmaschinenerklärer kommen lassen, uns die Waschmaschine zu erklären, und danach bestellen wir noch den Safeknacker, denn der zimmereigene Safe geht auch nicht auf. Dann bin ich soweit eingenordet und stehe in meinem neuen Heim.
Hier werde ich wohnen. Es ist eine Aparthotel-Einraumwohnung, sprich, ein tägliches Zimmermädchen macht klar Schiff, ich habe aber Kitchenette und erwähnte Waschmaschine, und vor allem habe ich: Ausblick.
Mein Bett, das Hauptfeature des Raumes, steht im Eck zwischen zwei Fenstern mit Blick aus dem zehnten Stock. Als niste man auf einem gemütlichen Sims in einem sehr hohen Kliff. Ich finde das großartig, ich bin ein Licht- und Fensterjunkie. Ich kann einen Haufen Himmel sehen – der sich gerade gelbgrau und böswillig über der Stadt zusammenballt, wir haben Taifunwarnung, der Schulbeginn ist deswegen verschoben worden, später wird abrupt Regen fallen im Ausmaß eines Meeres. Bin begeistert, muß mir nur noch was ausdenken, wie man bequem im Bett arbeiten kann, das Schreibtischeck ist mir viel zu dunkel im Vergleich.
Auspacken. Richtig auspacken, für verdammt dauerhaft. Es ist ein Genuß, den ich zelebriere. Ich habe ein Regal, in das ich meine Bücher stelle, auch wenn’s derzeit bloß vier sind: Home is where Bücher sind. Ich bin im Schoße der Eigernordbücherwand meiner Mutter aufgewachsen, menschliches Leben ohne Bücher war mir von jeher schwer vorstellbar.
Was ich nicht habe, ist eine Leselampe. Da natürlich liegt kein Segen drauf, zumal ich feststelle, daß auch von den sechs Deckenstrahlern viere kaputt sind – die Chinesen, sie sind ein lichtscheues Gesindel. Das gehört zuoberst auf die Troubleshootingliste. Ich werfe meine höchst toxische Schmutzwäsche in die Waschmaschine – chinesische Waschmaschinen waschen kalt, ich hoffe, das beeindruckt meine Garderobe – und versuche, ein Stündchen zu schlafen, ich bin erbärmlich müde.
Andererseits: Bin ich in Shanghai. Das bedeutet, ich kann natürlich nicht schlafen, und muß zumindest eine kleine Runde um den Block drehen. Diese Entscheidung fällt, wie könnte es anders sein, zeitgleich mit dem Regen.
Triefend entsteige ich den Fluten am Supermarkt, den Hu Peihua auf einer kleinen Umgebungskarte markiert hat. Wenn ich schon einen Hausstand gründe, kann ich das ja gleich gründlich tun, denke ich, und shoppe nach weiteren Basics.
Seht, den Touristen, ist er nicht putzig, wie er dort vorm Regal steht und nicht in der Lage ist, rauszutüfteln, was denn wohl das Geschirrspülmittel sein mag? Ja, wie sollte er denn auch, sieht doch alles vom Verpackungsdesign ganz und gar anders aus als zu Hause und ist ausschließlich auf chinesisch beschriftet. Nach halbstündiger konzentrierter Reinigungsmittelbeschau kaufe ich was, auf dem eine debile Katze abgebildet ist; sollte es kein Geschirrspülmittel sein, habe ich immerhin noch eine bemerkenswert debile Katzenabbildung erstanden. Der Shampookauf gestaltet sich ähnlich schwierig, eine Körperlotion zu erwerben birgt gar echte Risiken, fast alle Cremes beinhalten Bleichmittel für weißere Haut; so ist sie, die Menschheit, die eine Hälfte ätzt sich die Pigmente weg, die andere Hälfte liegt unterdes auf der Sonnenbank, wir sind schon eine debilere Spezies als jede Spülmittelkatze.
Außerdem kaufe ich Salz, Milch, Joghurt – spitzenmäßigen Joghurt hat’s! –, Salzcracker, Instantnudeln, Wasser – Kohlensäure hat’s leider nicht –, Obst beim Obsthöker und einen Regenschirm. Im Augenblich der Bezahlung des letzteren reißt die Wolkendecke auf.
Auf Platz Zwei der Prioritätenliste nach der Leselampe wird eine Kaffeemachapparatur gesetzt, dies aber erst als einer der Parameter für die morgige Stadterkundung. Jetzt erstmal schreibe ich mich dumm und krumm, von meinem Nestbett in den Taifunhimmel über der Stadt blickend, gewillt, diesen Blog niederzuringen, auf Teufel komm raus. Morgen früh werde ich in temporär eigenen vier Wänden aufwachen und überhaupt nicht auschecken müssen, und das, ich bin mir sicher, wird wahrlich ein Hochgenuß sein.
von Anfang an habe ich Ihre Reise verfolgt, wie spannend, ein wenig als wäre man selbst gereist ... Sie alte Wörterzauberin, jetzt siend Sie also da und ich wünsche Ihnen fetten Funkenflug im Hirn. DANKE. Herzliche Grüße aus München
Mein Wunsch: Eine Blogblätterfunktion und ein Bilderbuch.