Es heißt ja immer wieder, in den westlichen Augen sähen alle Asiaten gleich aus und seien nicht voneinander zu unterscheiden. Ich kann dies ganz und gar nicht bestätigen, denn für mich sehen auch alle Westler gleich aus, ohne daß ich sie unterscheiden, geschweige denn mir merken könnte. Zugegeben, Variation der Haarfarbe mag als hilfreiches Indiz zur Personenerkennung dienen, aber nicht mir, ich kann mir Haarfarben ebenfalls nicht merken. Insofern habe ich hier in China auch keine größeren Schwierigkeiten als daheim – begrüßt mich jemand mit einer Herzlichkeit, die auf innige Bekanntschaft schließen läßt, gebe ich Wiedererkennen vor, erwidere die Herzlichkeit, vermeide Namensnennung und versuche durch geschickte Gesprächsführung unauffällig herauszufinden, wer zum Henker mein Gegenüber eigentlich ist. Läßt man seinen Blick allerdings in beliebiger Runde schweifen, kann zumindest ich nicht finden, die hiesigen Physiognomien zeigten sich im geringsten weniger individuell als die anderer Ethnien; daß ich im Gesichtervergessen keinerlei ethnische Unterschiede mache, spricht ebenfalls für diese Ansicht, allerdings nicht für mein Gedächtnis. Wie’s umgekehrt so läuft, ist schwer zu sagen, Klil und ich jedenfalls sind schon manchmal verwechselt worden – die Sache mit der Haarfarbe (zwei Blondinen) kann anscheinend auch kontraproduktiv wirken.
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